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Bernhard Mosler
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Auswahl von Informationen durch einige wenige Personen in Nachrichtenkanälen und freiere Auswahl individuell relevanter Nachrichten im digitalen Netz zweiter Struktur
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Niall Ferguson:
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„80 Prozent der Amerikaner konsumieren Nachrichten mittlerweile ausschließlich über Facebook und Google. Das macht sie zu den mächtigsten Nachrichtenkanälen der Menschheitsgeschichte. Sie bestimmen, was die Nutzer sehen und was nicht.“
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„Abstruse Ideen verbreiten sich wie Lauffeuer“ – Niall Ferguson im Interview mit der Zeitschrift Euro – Ausgabe 08/18 ; S.36
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Demnach vertrauten 80 Prozent der Amerikaner darauf, dass Facebook und Google ihnen Nachrichten in zufriedenstellender Auswahl zugänglich macht. Im folgenden wird unterstellt, dass der aktuelle Prozentsatz, auch wenn er sich seit dem Jahr 2018 geändert haben sollte, immer noch sehr hoch ist.
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Könnten Nutzer der Nachrichtenkanäle von Facebook und Google dort an alle von ihren individuellen Befindlichkeiten aus betrachtet begehrenswert erscheinenden Informationen herankommen, nähmen bei Facebook und Google Beschäftigte keinen zu hinterfragenden Einfluss darauf, welche Informationen Nutzer der Nachrichtenkanäle empfangen und welche nicht.
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Doch ein Nachrichtenkanal zeichnet sich dadurch aus, dass dessen Personal aus einer Vielzahl von Informationen einige zur Übertragung auswählt, alle übrigen Informationen weglässt. Zwar bietet Google auch den Zugang zu einer herausragend oft genutzten Informations-Suchmaschine an. Soweit keinen gesetzlichen Einschränkungen unterworfen, können die Betreiber einer Suchmaschine auf jegliche Vorauswahl von Informationen verzichten. Soweit in Suchmaschinen von Google und anderen Anbietern keine Nachrichten unterdrückt werden, könnten sich Nutzer eines Nachrichtenkanals zusätzlich auf einer Suchmaschine über alles informieren, was nicht über den von ihnen bevorzugten Nachrichtenkanal übermittelt wird, ihnen aber interessant erscheint. Doch die 80 oder soundsoviel Prozent der Amerikaner, die sich mittels Nachrichtenkanälen von Facebook und Google informieren, machen sich angeblich nicht die Mühe, zusätzlich in einer Suchmaschine nach in den genutzten Nachrichtenkanälen fehlenden, aber für sie jeweils relevanten Nachrichten zu fahnden.
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Stellen Beschäftigte von Facebook und Google Nutzern der Nachrichtenkanäle nur eine Auswahl von Informationen zur Verfügung, brauchen die Auswählenden Kriterien, nach denen sie den Informationsfluss einschränken. Angenommen, Beschäftigte bei Facebook und Google verfolgen mit der Übermittlung bestimmter Nachrichten keine besonderen politischen oder anderen Interessen. Angenommen, Beschäftigte bei Facebook und Google ermitteln, dass viele oder die meisten Nutzer der Nachrichtenkanäle darin übereinstimmen, bestimmte Arten von Nachrichten besonders zu begehren und andere Arten von Nachrichten weniger nachzufragen. Dann versuchen die Gestalter der Nachrichtenkanäle, sich danach zu richten, indem sie zuvorderst die relativ häufiger, nachrangig die relativ seltener begehrten Nachrichten zeigen. Aber dem sind Grenzen gesetzt. Denn ab irgendeiner Menge von übertragenen Informationen verliert ein Nachrichtenkanal für Nutzer mit ihrem begrenzten Wahrnehmungsvermögen seine Attraktivität.
Außerdem niemals können die Beschäftigten bei Facebook und Google die individuelle Befindlichkeit jedes einzelnen Nutzers so umfassend kennen, dass sichergestellt wäre, jedem Einzelnen keine für ihn irgendwie relevanten Nachrichten vorzuenthalten. Denn über seine einzigartige Befindlichkeit weiß jeder einzelne seiner Sinne mächtige Mensch die längste Zeit seines Lebens selbst am meisten. So besehen stellt einen Mangel dar, wenn Beschäftigte bei Facebook und Goggle eine Vorauswahl darüber treffen, welche Informationen Nutzer der Nachrichtenkanäle zuvorderst und welche nachrangig empfangen können und wenn Nutzer sich nicht die Mühe machen oder überfordert damit sind, die ihnen fehlenden Nachrichten anderswo zu beschaffen.
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Weil das digitale Informationsnetz zweiter Struktur über den Vorteil verfügte, dass darin nahezu sämtliche digital lesbaren Informationen über Merkmale bestimmter Körper auf dem aktuell verfügbaren Kenntnisstand gespeichert wären, der Recherchierende also nicht in verschiedenen digitalen Netzen suchen müsste, und außerdem diese vielen Informationen nach übereinstimmenden Merkmalen definierter Mengen von Körpern gegliedert wären, könnte darin jeder an die digitale Welt angeschlossene Mensch tendenziell leichter für sich prüfen, ob und gegebenenfalls wie eine bestimmte, von einem Nachrichtenkanal empfangene Information ihn selbst berührt.
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Wer die Möglichkeiten zu Recherchen im Netz zweiter Struktur für sich nutzte, würde eher häufiger bei Nachrichten aus einem Nachrichtenkanal fragen:
Was hat das Geschehen mit mir zu tun? Ist die Nachricht gut für meine persönlichen Interessen? Könnte ich mich so verhalten, dass aus der Nachricht ein Vorteil für mich wird? Falls ja: Was genau müsste ich dafür tun?
Ist die Nachricht schlecht für meine persönlichen Interessen? – Falls ja: Könnte ich etwas tun, um mich vor Schaden zu schützen?
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Auch wäre der Einzelne tendenziell fähiger, selbst für ihn relevante Nachrichten aufzuspüren, indem er im Netz zweiter Struktur nach übereinstimmenden Merkmalen zwischen sich und einem bestimmten anderen Körper fragt.
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Nichts spräche dagegen, dass jeder auch bei Verfügbarkeit des Zugangs zum Netz zweiter Struktur für Recherchen Dienste anderer nutzen könnte, die Nachrichten auswählen und über einen Nachrichtenkanal vermitteln. Wer möchte, könnte die Vorauswahl von Informationen, die ein bestimmter Nachrichtenkanal bietet, als Anregung verstehen, im Netz zweiter Struktur danach zu fragen, ob bestimmte Informationen des Nachrichtenkanals für ihn persönlich irgendwie bedeutsam sind. Aber das Netz zweiter Struktur als Quelle von Nachrichten zu nutzen, wäre insofern häufiger attraktiv, als der Recherchierende so darin fragen kann, dass er bloß für ihn relevante Informationen empfängt. Wer Zugang zum Netz zweiter Struktur haben würde, fühlte sich eher weniger abhängig von Personen, die darüber bestimmen, welche Nachrichten er empfängt und welche ihm vorenthalten werden. Entsprechend dürfte der Glaube bei denjenigen, die Informationen für Nachrichtenkanäle auswählen, damit bestimmte politische oder andere Interessen durchsetzen zu können, soweit vorhanden, eher abnehmen.
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