publikationen von Bernhard Mosler

diskurs & Progress

Komponenten von Selbstsicherheit zur Selbstbehauptung

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Bernhard Mosler

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Als Mensch existieren,  sich selbst behaupten zu können,  setzt voraus,  sich seiner selbst ausreichend sicher zu sein.  Wer noch etwas mit seinem Leben anfangen möchte,  bemüht sich darum,  seine Selbstsicherheit zu steigern oder zumindest nicht unter ein individuell zu bestimmendes Mindestmaß fallen zu lassen.

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Sich seiner selbst Sichersein eines Menschen setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen.

Teils stimmen die Quellen und Mittel,  aus denen verschiedene Menschen in ihren jeweiligen einzigartigen Befindlichkeiten Selbstsicherheit schöpfen,  überein.  Teils unterscheiden sie sich darin voneinander.  Dem einen bedeutet eine bestimmte Quelle von Selbstsicherheit,  ein besonderes Mittel,  eine besondere Vorgehensweise zum Aufrechterhalten oder Erlangen von mehr Selbstsicherheit viel,  einem anderen weniger oder garnichts.

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Ob jemand als Flugpassagier keinen Absturz der Maschine befürchtet,  ob jemand seinem Arzt den diagnostizierten Krankheitsbefund und das Erfordernis einer besonderen Medikation glaubt:   Je mehr das Leben eines Menschen von wissenschaftsbasierter Anwendungstechnik geprägt ist,  tendenziell umso mehr Selbstsicherheit bezieht er daraus,  dass er sich auf die Gültigkeit wissenschaftlich generierter Einsichten verlässt.

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Ist Wissenschaft auf disziplinäre und gelegentlich davon ausgehende interdisziplinäre Herangehensweisen beschränkt,  dann hat ein Mensch,  der wissenschaftlich generierte Einsichten zur Beurteilung persönlicher Befindlichkeiten nutzt,  es für seine Entscheidungen bestimmten Verhaltens mit Informationen aus zahlreichen eingegrenzt definierten Wissenschaftszweigen zu tun.  Stets auf fast allen Gebieten ein fachwissenschaftlicher Laie,  recherchiert er mit dem Risiko,  für seine besonderen Anliegen sachdienliche Informationen an falschen Stellen zu suchen,  relevante Informationsquellen unberücksichtigt zu lassen.  Je bewusster er sich dieses Risikos ist,  je größer ihm die Lücke zwischen dem,  was er seiner Vermutung nach zu einem Verhalten im Sinne bestimmter Anliegen wissen müsste,  und den Kenntnissen erscheint,  über die er tatsächlich verfügt,  tendenziell umso unsicherer fühlt er sich in seiner Selbstbehauptung.   Je mehr Gefühl des Unsicherseins eine Recherche nach wissenschaftsbasierten Einsichten in ihm zurücklässt,  tendenziell umso eher versucht er,  sein Defizit an für seine Selbstbehauptung genügendem Sicherheitsgefühl auf anderen Wegen auszugleichen.

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Je komplexer Daseinsbedingungen von Menschen sind,  tendenziell umso eher erscheint einem Recherchierenden,  der bloß in mit disziplinär- beziehungsweise interdisziplinär-wissenschaftlich gewonnenen Einsichten befüllten Informationsnetzen unterwegs ist,  sein ermitteltes Ergebnis unzulänglich. 

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Die verbleibende Unsicherheit kann er mit persönlich formulierten Gedanken in einer ihm zweckdienlich erscheinenden Sichtweise von Gegebenheiten auszugleichen versuchen.  

 

Er kann sich darauf konzentrieren,  sein Gefühl der Unsicherheit in einer Gruppe von Menschen zu reduzieren,  die sich gegenseitig stützen und stärken möchten. 

Im Chor mit anderen kann er . . .

. . .    sich einer gemeinsamen Geisteshaltung versichern und davon abweichende Einstellungen ablehnen; 

                      . . .    selbst als Anführer auftreten oder den besonderen Sichtweisen und Zielen eines anderen folgen;

                      . . .    eine Ideologie verinnerlichen,  die menschenweltliche Gegebenheiten teils anerkennt,  teils ignoriert;

                          . . .   sich als einer gemeinsamen Nation zugehörig betrachten und für deren Stärkung eintreten;

                        . . .  sich  zu einer legendenhaft überlieferten oder neuen Religion bekennen,

wobei er als Preis für das sich gemeinsam stärker Fühlen mögliche inhaltliche Unvereinbarkeiten mit persönlichen Anliegen,  aus denen er weniger Gefühl von Selbstsicherheit  bezieht,  zu ignorieren bereit ist.

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Je territorial begrenzter,  von Einflüssen jenseits der Außengrenze unberührter der Raum ist,  in dem Menschen leben,  tendenziell umso eher können sie einen Teil ihres Sicherheitsgefühls aus mit ihnen vereinbare Gewöhnung an Merkmale von Mitmenschen und Gegenstände ihrer Umgebung,  an wiederkehrende Abläufe beziehen.

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Je mehr Sicherheitsgefühl der Einzelne daraus bezieht,  dass sich an bestimmten vertrauten Merkmalen seiner Umgebung nichts ändert,  tendenziell umso ängstlicher,  distanzierter,  abwehrender begegnet er dazu kommenden Menschen abweichender Merkmale.   Stören können ihn beispielsweise Menschen anderer Hautfarbe,  anderer Umgangssprache,  anderer Gebräuche,  anderer religiöser Bekenntnisse.

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Doch je komplexer Daseinsbedingungen von Menschen sind,  tendenziell umso größer ist die Gefahr,  mit dem Sich-Abgrenzen,  Bekämpfen- und Vernichten-Wollen von zu Feinden erklärten Personen oder Gruppen die eigene Selbstsicherheit nicht zu erhöhen,  sondern sich selbst zu schaden.

Denn tendenziell umso mehr Neben- und Fernwirkungen löst der Einzelne mit bestimmtem Verhalten aus. Tendenziell umso mehr Menschen beeinflussen einander in umso mehr verschiedenen Kombinationen persönlicher Merkmale.  Tendenziell umso bedeutsamer ist es für den einzelnen Menschen,  sich beim Bemühen um mehr Selbstsicherheit geistig und in Taten nach Möglichkeit so einzustellen,  dass auch zusammen mit Neben- und Fernwirkungen die eigene Selbstsicherheit per saldo voraussichtlich mehr erhöht als geschwächt wird.

Dies setzt den Zugang zu umfänglicherer persönlicher Verhaltenskompetenz im Umgang mit komplexen Gegebenheiten voraus.   Dazu müsste der Einzelne eine zusammenhängende Systematik zwischen Einsichten aller Wissenschaftszweige erkennen können,  die ausreichte,  sie als Einheit aufzufassen.

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Käme die zweite Forschungsstruktur hinzu, dann würden die Ergebnisse aller Wissenschaft, soweit digital darstellbar, im Informationsnetz zweiter Struktur durch übereinstimmende Systematik zusammenhängend gespeichert.  Wer zur Selbstbehauptung für sich relevante wissenschaftliche Einsichten zu ermitteln suchte,  dem stünde von seinem Kopf aus mit einem einzigen Zugang die ganze Wissenschaft mit all ihren aktuell öffentlich verfügbaren,  digital darstellbaren Resultaten offen.  Er wäre dazu imstande,  soweit zu recherchieren,  bis er sich sicher fühlte,  nicht bloß von einem oder mehreren Wissenschaftszweigen,  sondern von der ganzen Wissenschaft,  von allen Fachwelten für sein besonderes Anliegen relevante Informationen im Umfang des aktuell digital verfügbaren Kenntnisstandes empfangen zu haben.

Je sicherer er sich nach seiner Recherche fühlte,  ausreichend im Sinne seines Anliegens informiert zu sein,  tendenziell umso geringer in diesem Zusammenhang wäre sein Bedürfnis,  seine Gefühlslage mit anderweitiger geistiger Erbauung erträglicher zu machen.

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..Persönliches Sicherheitsgefühl aus Religiosität schöpfen