publikationen von Bernhard Mosler

diskurs & Progress

Persönliche lebensweltliche Orientierung …

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in wissenschaftsbasiertem Begreifen und Religiosität

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Bernhard Mosler

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 Historisch je weniger existenzsichernd nutzbare Einsichten disziplinäre Wissenschaft bereits zutage gefördert hatte,  umso weniger lebensweltliche Orientierung konnten Menschen daraus gewinnen.  Insbesondere umso weniger vermochte Wissenschaft auf Möglichkeiten hinzuweisen,  besondere Krankheiten einzudämmen oder zu überwinden und dadurch Menschenleben zu verlängern.  Umso häufiger mussten sich Menschen der zeitlichen Begrenztheit ihres Daseins bewusst werden.  Tendenziell umso größer war ihr Bedürfnis,  an etwas nach ihrem Menschsein zu glauben,  transzendentes Religiössein in ihre persönliche Identität einzubeziehen.

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Je weiter disziplinäre und gelegentlich davon ausgehende interdisziplinäre Forschung fortgeschritten ist,   je mehr Daten,  Meinungen und einstweilen für gültig erklärte Erkenntnisse Wissenschaft hervorgebracht hat,   je mehr davon sich als nützlich zur individuellen Selbstbehauptung erwies,  tendenziell umso mehr richteten sich Menschen danach in dem,  was sie aus ihrem Dasein machten.   Zeigten sich Widersprüche zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und religiösen Ansichten,  neigten Menschen dahin,  sich mehr auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu verlassen,  soweit sie sich davon bessere Chancen zur Selbstbehauptung versprachen.  Je mehr technische Anwendungen aus wissenschaftlichen Erkenntnissen ihnen erlaubten,  länger zu leben,  tendenziell umso seltener wurden sie mit der Endlichkeit menschlichen Daseins und der Ungewissheit konfrontiert,  was sie danach erwartet.  Tendenziell umso weniger von ihrer natürlich begrenzten Fähigkeit,  für etwas aufmerksam zu sein,  widmeten sie religiösem Glauben.

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Doch je mehr wissenschaftlich an Informationen,  Meinungen und einstweilen für gültig befundenen Erkenntnissen zustande kam,  tendenziell umso weiter ist Wissenschaft in immer mehr Fachbereiche auseinandergezweigt.  Tendenziell umso unübersichtlicher ist das aktuell wissenschaftlich Begriffene für die einzelnen Menschen geworden.  Tendenziell umso weniger zusammenhängendes Verstehen unserer Welt hat auf Disziplinarität und Interdisziplinarität beschränkte Wissenschaft hervorgebracht.  Tendenziell umso weniger taugen die zu bestimmten Zeitpunkten erreichten Zwischenstände wissenschaftlicher Ergebnisse dazu,  den vielen einzelnen Menschen das Universum soweit in seinen Zusammenhängen zu erklären,  dass sie darauf genügend vertraubar ihr lebensweltliches Verhalten stützen könnten.

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Je weniger lebensweltliche Orientierung die Wissenschaft dem Einzelnen zu vermitteln vermag und je mehr ihm diese Orientierung fehlt,  tendenziell umso eher sucht der Einzelne – individuell unterschiedlich ausgeprägt –,  in einem wissenschaftsfernen Glauben lebensweltliche Orientierung zu erlangen.  Dies kann eine Komposition von Behauptungen sein,  deren Mangel an wissenschaftlicher Evidenz daran Glaubende als Gruppe durch gegenseitige Bestätigung untereinander ausgleichen – beispielsweise im gemeinsamen auszugsweisen oder vollständigen Bekenntnis zu einer legendenhaft überlieferten Religion.

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Je mehr der Einzelne die Inhalte eines solchen Glaubens verinnerlicht,  tendenziell umso eher akzeptiert er keine wissenschaftsbasierten Argumente,  die dagegen sprechen. Tendenziell umso enthemmter stört es ihn,  wenn andere Personen seinen Glauben ablehnen.  Tendenziell umso eher geht er aggressiv gegen die seinen Glauben Störenden vor.  Aber auch so finden Menschen keine angemessene persönliche Orientierung,  um sich in einer hochgradig wissenschaftsbasiert mitgeprägten lebensweltlichen Komplexität erfolgreich im Sinne ihrer besonderen Anliegen zurechtzufinden.

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Die vermisste lebensweltliche Orientierung zu erlangen,  in der Informationen aus allen wissenschaftlichen Disziplinen,  soweit es der aktuell öffentlich zugängliche Kenntnisstand erlaubt,  in ihren Bezügen zueinander auf eine im Prinzip persönlich begreifbare Weise sortiert sind,  könnte der Aufbau der zweiten Forschungsstruktur und des dazugehörigen digitalen Informationsnetzes dem Einzelnen erleichtern.  Daran anschließend könnte er im eigenen Kopf überzeugender als mit zahlreichen auseinandergezweigten Wissenschaften der ersten Struktur konfrontiert, für alles wissenschaftlich Unergründbare religiös sein.

Dann gäbe es unter Menschen eher mehr Anerkennung der grundsätzlichen Unterscheidung dessen,   was wissenschaftlich erforschbar,  von dem,  was wissenschaftlicher Erkenntnis für immer entzogen ist und einige Menschen zum Religiössein veranlasst.  Dann gäbe es eher weniger Menschen,  deren religiöse Inhalte in den Bereich des wissenschaftlich Begreifbaren hineinreichen,  die entgegenstehende wissenschaftliche Einsichten dogmatisch ignorieren,  infolgedessen auch tendenziell weniger hitzigen Streit zwischen Religiösen unterschiedlicher Bekenntnisse.

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Vertrauen von Laien in wissenschaftliche Aussagen

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