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… passt nicht in eine komplexer werdende Welt
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.Bernhard Mosler
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Immer wieder in der Geschichte der Menschheit gab es Staaten, die mit ihrer militärischen oder ökonomischen Macht anderen Staaten Regeln diktierten und Geschäfte zum überwiegend eigenen Vorteil aufzuzwingen vermochten. Einigen Staaten des Westens gelang es in internationalen Beziehungen – zum Beispiel mit technologischer Überlegenheit oder als Kolonialmächte –, einen Abschnitt der Geschichte lang regional oder sogar nahezu weltweit eine dominante Bedeutung zu erlangen mit Konsequenzen, die bis in die Gegenwart reichen. Einmal angenommen, im 21. Jahrhundert schickt sich ein Staat in nicht so starker Position an, ebensolche dominante Macht regional oder weltweit neu erlangen zu wollen. Wie könnte dieser Staat vorgehen? Wäre es erfolgversprechend, dabei Methoden nachzuahmen, mit denen Staaten des Westens bereits Erfolg hatten?
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Einiges spricht dafür, dass Staaten des Westens ihren Willen anderen Staaten ohne Verletzung individueller Menschenrechte nicht so oft und effektiv hätten aufzwingen können. Angenommen, daraus leitet ein Staat mit neuem Wunsch nach Dominanz das Recht ab, genauso rücksichtslos individuelle Menschenrechte brechen zu dürfen. Angenommen, man billigt einem solchen Staat diesen Anspruch zu. Könnte dessen Führung den Anspruch noch durchsetzen?
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Dies könnte gelingen, aber nur soweit und solange es den darunter Leidenden an Kompetenz der Zurückweisung mangelt. Denn je komplexer Daseinsbedingungen sind, tendenziell umso mehr beeinflussen die einzelnen Menschen bereits mit dem Verwirklichen kleiner Anliegen ein größeres Ganzes, den Staat, in dem sie sich befinden, und darüber hinaus. Keine zentralregierende Person oder Gruppe verfügt über die geistige Kapazität, diese Einflüsse vieler am Staat Teilnehmender vollständig zu registrieren, in ihren Zusammenhängen zu begreifen und in das Spiel der Kräfte effektiv im Sinne bestimmter Absichten einzugreifen. Keine Zentralregierung kann die Einflüsse der Vielen verhindern, allenfalls etwas reduzieren, indem sie technische Errungenschaften auf einen niedrigeren Grad von Komplexität zurückführt und damit Innovation und Geschäftsmöglichkeiten unterbindet. Doch damit würde auch die Zentralregierung an Macht einbüßen. Derweil könnten andere Staaten Innovation zulassen, die mit mehr Komplexität verbunden wäre und ökonomisch wie kulturell stärkere Mächte werden.
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Zentralregierende, die keine Macht verlieren möchten, sind darauf angewiesen, den Grad von Komplexität der Daseinsbedingungen niedrig zu halten. Erfordern aber betriebs- und volkswirtschaftliche Prosperität mehr Komplexität von Verhältnissen, müssen die Zentralregierenden dies entweder hinnehmen und sich mit weniger Schlagkraft zufrieden geben. Oder sie widersetzen sich der zunehmenden Komplexität und erschweren damit zusätzliche ökonomische Prosperität. Letzteres würde ihr internationales Eingebundensein und ihren Anspruch schwächen, als regional oder weltweit dominant zu gelten. Verhindern Zentralregierende zusätzliche ökonomische Prosperität, verlieren sie möglicherweise Rückhalt in der Bevölkerung.
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Staatsführungen, die sich bereits als allen anderen Staaten überlegen wähnen und mit der Macht des Stärkeren ihre Wünsche durchsetzen können oder in Konkurrenz mit anderen Staaten um entsprechende Dominanz kämpfen, passen tendenziell umso weniger zu den Gegebenheiten, je komplexer globale Daseinsbedingungen sind, je mehr Menschen weltweit voneinander abhängig, in Arbeitsteilung aufeinander angewiesen sind.
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Mehr Komplexität erschwert zentrales Regieren von Staaten