publikationen von Bernhard Mosler

diskurs & Progress

Staatliche Souveränität und Schutzverantwortung für individuelle Menschenrechte

.

Bernhard Mosler

.

.

.

Wolfgang Ischinger:

.

Hatte man nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch jeden Angriffskrieg aufs Schärfste verurteilt,  weil er das oberste völkerrechtliche Gebot der Wahrung staatlicher Souveränität verletzte,  hatte sich im Laufe der Jahrzehnte ein neuer Gedanke etabliert:  der völkerrechtliche Schutz der Menschenrechte.  Im Zuge dessen wurde der Völkermord zum ‚Verbrechen der Verbrechen‘ erklärt,  das zu vermeiden und zu beenden auch (Schutz-)Verantwortung der internationalen Gemeinschaft sei.  Menschenrechte – allen voran das Recht auf Leben – wurden damit als mindestens so schützenswert definiert wie bis dahin (nur) die staatliche Souveränität.  So sollten ‚humanitäre Interventionen‘,  also Eingriffe in die staatliche Selbstbestimmung,  plötzlich möglich sein …  Wer Diktatoren und Bürgerkriegstreibern das brutale und grausame Handwerk legen will,  muss seine ‚Schutzverantwortung‘ wahrnehmen können,  selbst wenn ihm ein offizielles UN-Mandat dafür fehlt.  Klar ist jedenfalls:   Der Internationale Strafgerichtshof würde heute wohl kaum jemanden,  der sich in einer Notlage auch ohne UN-Mandat für eine humanitäre Intervention entscheidet,  mit einem internationalen Strafverfahren überziehen.  Wie beide Ideen,  Schutzverantwortung und Souveränitätsprinzip,  miteinander in Einklang zu bringen sind,  bleibt dennoch eine schwierige Frage.  Und sie ist nur im Einzelfall zu beantworten – und damit eine politische Entscheidung.“

.

(Wolfgang Ischinger: Welt in Gefahr; Berlin 2018; S. 202f.)

.

.

Die Option der Regierung eines souveränen Staates,  gegenüber einem anderen souveränen Staat eine ‚Schutzverantwortung‘ wahrzunehmen,  ohne über ein entsprechendes UN-Mandat zu verfügen oder nach einem durchlaufenen anderen Verfahren der Prüfung und Billigung nach bestimmten Regeln von einer Instanz,  die keiner anderen Motive verdächtig ist,  trägt die Gefahr von Missbrauch in sich.

.

.

Eine Regierung kann mit dem Vorwand,  zum Volk ihres Staates zählende Menschen würden als Minderheit in einem anderen Staat unterdrückt,  eine militärische oder nichtmilitärische Aggression begründen und eigentlich ganz andere Absichten verfolgen – zum Beispiel die Verfügung über Bodenschätze im Zielgebiet oder Zugang zur Kontrolle über eine international wichtige Handelsroute erlangen wollen.

.

Symmetrischeres Regieren könnte dazu beitragen,  dass es zu keinem solchen Missbrauch kommt.  Es würde sich militärischer wie nichtmilitärischer Aggression der Zentralregierung eines Staates gegenüber einem Ausland möglichst soweit widersetzen,  wie eine solche Aggression den persönlichen Anliegen von symmetrischer mitregierenden Menschen zuwiderliefe.

 

.

.

Symmetrischeres Regieren und subjektives internationales Recht

 

0 0 votes
Article Rating
0 Comments
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
0
Would love your thoughts, please comment.x