.
Bernhard Mosler
.
.
Gäbe es zusammen mit symmetrischerem Regieren noch Nationalstaaten?
.
.
Ein Nationalstaat wird zentral regiert. Dieses Regieren kann Entscheidungen für Eingriffe beinhalten, die Geschehen jenseits der territorialen Grenzen des Staates vollständig ausblenden, wie auch solche, die Geschehen jenseits der territorialen Grenzen mit einbeziehen. Im Unterschied dazu wählten Staatszugehörige, soweit sie symmetrischer mitregierten, Informationen, die sie in Entscheidungen für bestimmtes Verhalten mitberücksichtigten, stets unabhängig davon aus, ob sich diese Informationen auf Geschehen diesseits oder jenseits der Staatsgrenzen beziehen.
.
Ginge infolgedessen symmetrischeres Regieren mit der Überwindung von Nationalstaaten einher? – Nicht unbedingt. Deren Auflösung wäre genauso wenig ein Ziel als solches für symmetrischeres Regieren wie das Bewahren bestehender oder die Bildung neuer souveräner Nationalstaaten. Vielmehr würde wie bereits vor der Einführung symmetrischeren Regierens der Fortbestand eines Nationalstaats tendenziell umso eher gesichert sein, je mehr Menschen ihre Zugehörigkeit zu diesem Staat als wesentliches Merkmal ihrer persönlichen Existenz empfinden.
Doch weil, wer symmetrischer mitregierte, Informationen ausschließlich nach Kriterien der Relevanz für persönliche Anliegen, im Übrigen ungeachtet dessen, ob die Informationen Geschehen diesseits oder jenseits des Nationalstaates betreffen, in seine Entscheidungen für bestimmtes Verhalten einbezöge, verblasste die Bedeutung des Nationalstaates in seiner Aufmerksamkeit und seinen Überlegungen tendenziell umso mehr, je gewichtiger ihm in seinen besonderen Befindlichkeiten Geschehen jenseits der Grenzen seines Staates erschiene.
.
Je größere Bedeutung übernationales Betroffen- und Verbundensein gegenüber der Gemeinsamkeit mit anderen Menschen in den territorialen Grenzen eines Nationalstaates für symmetrischer Mitregierende erlangte, tendenziell umso unwahrscheinlicher käme es dazu, dass Zugehörige verschiedener Staaten nationalistisch gegeneinander hetzten bis hin zu so motiviertem Lostreten heißer Kriege.
Personen, die an der Zentralregierung eines Nationalstaates mitwirken, könnten bei symmetrischerem Regieren Aufgaben der Koordination erfüllen, die im Zusammenhang mit der Verwirklichung besonderer Vorhaben anfallen. Verstünden sich zentral Regierende mit diesem Selbstverständnis mehr als Dienstleistende, weniger als richtungbestimmende Politiker, und betrachteten sie aus symmetrischerem Regieren sich artikulierendes Verlangen als Auftrag, den es möglichst unverändert zufriedenstellend zu erfüllen gilt, dann stärkten sie damit, je besser ihnen dies gelänge, in Anbetracht des erreichten Grades der Vernetztheit von Menschen weltweit umso eher den Fortbestand des Nationalstaates.
.
..