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Bernhard Mosler
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… mit größerer individueller Verhaltenskompetenz eher vermeiden
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Soweit mit ihren individuellen Befindlichkeiten vereinbar und von keinen Regularien eingeschränkt, haben Akteure auf Märkten Freiheiten, Güter anzubieten und nachzufragen, sich darüber handelseinig zu werden bei Preisen, auf die sie sich untereinander verständigen.
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Doch je komplexer die auf einem Markt handelbaren Güter sind, tendenziell umso schwerer fällt es Akteuren, die auf digitale Recherchen in Informationsnetzen erster Struktur beschränkt sind, ihre Chancen und Risiken, Neben- und Fernwirkungen einbeziehend, auf dem Markt zu erkennen und diesbezüglich vorteilhafte Entscheidungen im Sinne ihrer jeweiligen Anliegen zu treffen. Tendenziell umso schwerer tun sich auch auf digitale Informationsnetze erster Struktur beschränkte und von Folgen des Marktgeschehens passiv Betroffene damit, diesbezügliche, bei genauerem Hinsehen bereits zum Zeitpunkt des krisenträchtigen Verhaltens erkennbare Risiken zu bemerken und von sich fernzuhalten.
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Je unübersichtlicher das Geschehen an einem Markt für dessen Akteure und passiv davon Betroffene ist, tendenziell umso eher kann alles Verhalten der Marktakteure und passiv Betroffenen saldiert einen Zusammenbruch herbeiführen, der ihren jeweiligen Anliegen widerspricht.
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Besonders schwer überblickbar können Produkte sein, die auf Finanzmärkten gehandelt werden. Entsprechend weitreichende ökonomische und soziale Verwüstungen können vom Kollabieren eines einzelnen oder mehrerer interdependenter Finanzmärkte ausgehen.
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Ein je weitreichenderer Schaden bereits so entstanden ist, je mehr Menschen davon betroffen sind, tendenziell umso lauter wird das Verlangen, die Zerstörung mit Regeln, Ge-und Verboten einzudämmen und Ähnliches für die Zukunft zu vermeiden. Aber zu ermitteln, mit welchen Eingriffen an welchen Stellen dies am ehesten zu erreichen ist, kann sich als umso schwieriger erweisen, je komplexer die Gegebenheiten sind.
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Zwar kann eine akute Finanzmarktkrise in einigen Details mit historisch bekannten Krisen übereinstimmen. Je mehr übereinzustimmen scheint, tendenziell umso eher könnte Bevorstehendes ähnlich verlaufen. Doch ist jede Finanzmarktkrise in der Komposition ihrer Voraussetzungen und Folgen anders als alle vorangegangenen. Wie eine künftige Finanzmarktkrise gegebenenfalls beschaffen sein wird, weiß niemand genau vorherzusagen. Je mehr mögliche Gefahrenquellen es gibt, je weniger Personen an zentraler Stelle mit ihren natürlich begrenzten selektiven Wahrnehmungen des Geschehens über Eingriffe dahinein entscheiden, umso eher lassen die Entscheider Optionen zu Eingriffen außer Acht, die maßgeblich im Sinne bestimmter Absichten wären.
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Widersprechen Eingriffe einander, weil es den Entscheidern darüber an Überblick mangelt, verwirrt dies eher diejenigen, die sich daran halten sollen, als dass im Sinne bestimmter Intentionen etwas bewirkt würde.
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Nicht auszuschließen ist, dass ein Verbot bestimmten Verhaltens einen Akteur auf einem Finanzmarkt in einer von den Regulierern nicht bedachten Situation davon abhält, etwas zu tun, was eine Krise einhegen oder abwenden könnte. Dann hat das besondere Verbot seinen Zweck verfehlt.
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Sich mit computergestützten Simulationen besonderer Szenarien als Entscheidungsgrundlage für bestimmte Eingriffe zu behelfen, verfehlt umso eher die beabsichtigte Wirkung im tatsächlichen Marktgeschehen, je bedeutsamer und je unbekannter ist, wie Marktteilnehmer und passiv von Folgen des Marktgeschehens Betroffene spontan ihre Handlungsfreiheiten nutzen und je mehr verschiedene Ergebnisse daraus möglich sind.
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Sich mit dirigistischen Eingriffen möglichst sicher gegen unerwünschte, von Finanzmärkten ausgehende Eventualitäten zu wappnen, erforderte so umfangreiche Eingriffe, dass sowohl diejenigen, die sich an die Regeln halten sollen, als auch deren Kontrolleure damit irgendwann überfordert wären. Und dann würde womöglich trotzdem wieder eine unvorhergesehene Finanzmarktkrise ausbrechen. Als Lehre daraus bliebe nur, sicherheitshalber den betreffenden Finanzmarkt ganz zu schließen.
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So erhebt sich die Frage, ob Finanzmärkte nur um den Preis ihres gelegentlichen Versagens zu haben sind, inkauf nehmend, dass Akteure wie passiv Betroffene, betriebswirtschaftliche Unternehmen und ganze Volkswirtschaften mit nach unten gerissen werden, als ob man es mit übermächtigen Naturgewalten zu tun hätte.
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Was auf einem Finanzmarkt geschieht, besteht aus dem Verhalten der Marktakteure und äußeren Einflüssen auf das Marktgeschehen. Je mehr Menschen von ihren individuellen Befindlichkeiten her den Markt beobachten und beurteilen, was dieser für sie persönlich bedeutet, wie sie möglichst vorteilhaft im Sinne ihrer jeweiligen Anliegen damit umgehen können, tendenziell umso weniger im Sinne menschlicher Anliegen Relevantes am Markt bleibt unbeachtet. Tendenziell umso eher gibt es Menschen, die nach Möglichkeit Schaden aus dem betreffenden Finanzmarkt von sich persönlich fernzuhalten versuchen. Tendenziell umso eher kollabiert der Markt nicht aufgrund menschlichen Versagens.
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Um einen Finanzmarkt an jeder möglichen Stelle des Ausbruchs einer Krise genauer erfassen, auf schadensträchtige Entwicklungen schnell genug, das heißt in Anfangsstadien mit guten Aussichten zur Unterbindung schnell im Sinne menschlicher Anliegen reagieren zu können, müssten möglichst viele Marktteilnehmer und passiv durch Folgen des Marktgeschehens Betroffene von ihren individuellen Befindlichkeiten aus mit möglichst wenig Aufwand in dem Markt für ihre persönlichen Anliegen Relevantes ausfindig machen können. Dazu bräuchten sie mehr individuelle Kompetenz, persönlich berührende Risiken auf Finanzmärkten sowie Optionen zu deren Eindämmung bis Unterbindung im Sinne ihrer jeweiligen Anliegen zu erkennen, als ihnen beschränkt auf Informationsnetze erster Struktur zur Vorbereitung von Entscheidungen für bestimmtes Verhalten verfügbar ist.
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Solche umfänglichere persönliche Verhaltenskompetenz könnten Akteure eines Finanzmarktes und passiv davon Betroffene mit dem Zugang zum digitalen Informationsnetz zweiter Struktur erlangen. Mit Recherchen darin könnten sie individuelles Befinden berücksichtigende Verhaltensempfehlungen empfangen, die der Eindämmung einer akuten oder der Vermeidung einer neuen Krise dienten.
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Der Voraussicht nach je gesamtgesellschaftlich belangloser das Befolgen einer derartigen Verhaltensempfehlung wäre, umso eher läge es im freien Ermessen des im Netz zweiter Struktur Recherchierenden, die Empfehlung zu befolgen. Hingegen der Voraussicht nach je weitreichender gesellschaftlich bedeutsam das Befolgen einer besonderen Verhaltensempfehlung wäre, umso mehr spräche dafür, dies durch Anreize oder Druckmittel bis hin zur strafrechtlichen Abwehr des Nichtbefolgens der Empfehlung zu unterstützen.
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